Jackhammer & The Hole

Bernhard Brungs, Siggi Hofer

Ausstellungsansicht. Foto: WEST. Fotostudio

Die beiden seit Jahren befreundeten Künstler Bernhard Brungs und Siggi Hofer hat gerade die vollkommen unterschiedliche Arbeitsweise des jeweils anderen interessiert und zu einer Zusammenarbeit inspiriert, aus der nun nach einem Jahr intensiven Arbeitens die Ausstellung Jackhammer & The Hole im Kunstpavillon in Innsbruck entstanden ist.

Betritt man den Ausstellungsraum trifft man auf monumentale, an Skyskraper und frühe Hochhausarchitekturen in den USA erinnernde Objekte auf weißen Sockeln, eine an der Wand lehnende, große Zeichnung, die eine Stadtlandschaft zeigt und verschiedene Versatzstücke aus bemalten Pressspanplatten, die lose im Raum verteilt wurden. Bereits im Eingangsbereich steht ein Würfelmonitor am Boden, auf dem ein Video gezeigt wird, das eine (Anti)Werbung für einen Haselnussaufstrich sein könnte. Üblicherweise kann man im Kunstpavillon schon beim Eintreten wegen des panoramaartigen Durchgangs zwischen dem ersten und dem zweiten Raum bis nach hinten an die Hauptwand sehen.
Siggi Hofer hat diesen Durchgang mit einer Wand verschlossen und in diese zwei kleine Öffnungen eigenartigen Formats geschnitten. Menschen, die größer als 1,60m sind, müssen sich bücken, um in den nächsten Raum zu gelangen, in dem neun 50 x 40 cm kleine Bilder von Bernhard Brungs höher als üblich an den Wänden hängen.

Anekdoten aus der Vergangenheit, Geschichten aus einem „viel zu engen Tal in den Südtiroler Bergen“, die Siggi Hofer Bernhard Brungs erzählt hat, bildeten den Ausgangspunkt für eine Serie kleinformatiger Gemälde. In die Vorstellung von einem Ort in einem von der Außenwelt abgeschnittenen Tal, die bloß durch die Erinnerung und Erzählung eines anderen vermittelt wurde, mischen sich Bernhard Brungs‘ eigene Erinnerungen zu teilweise an Traumsequenzen gemahnende Bilder. Brungs hat in den letzten Jahren etliche Werkgruppen geschaffen, die von Biografien ausgehen, beispielsweise von der deutsch-jüdischen Dichterin Else Lasker-Schüler, der Publizistin Susan Sontag, dem Modedesigner Yves Saint Laurent oder dem Philosophen Ludwig Wittgenstein. Dabei bildeten die Erinnerungen anderer Personen – wissend, dass mitunter an der Mythenbildung ordentlich geschraubt wurde – die Basis. Anekdotenhafte Momente in den Biografien und fiktive Begegnungen, also ein Weiterdenken des Realen, waren bereits damals die Grundlage vieler Bildideen. Erinnerung interessiert ihn als Phänomen, das flüssig ist. Die Vorstellung von einem Ort – Ahrntal, in dem Siggi Hofer seine Kindheit und Jugend verbracht hat, und den Bernhard Brungs niemals besucht hat –, der abgeschlossen ist und dessen Verbindung zur Außenwelt so erschwert war, dass sogar das Dach des Schulbusses eingedellt werden musste, um überhaupt in den engen Taleingang zu passen, steht im Mittelpunkt. Durch die Vermischung mit eigenen Erinnerungen, mit Interpretationen des Erzählten und anderen Quellen wie kunsthistorische Reminiszenzen entfernen sich die Bilder von der persönlichen Geschichte und öffnen den Betrachter_innen eigene Türen für Assoziationen. Alle Bilder der Werkgruppe haben dasselbe Format und sind in der gleichen Technik, Öl auf Leinwand lasierend und oft in vielen Schichten auf Kreidegrund aufgetragen, gemalt. Unterschiedlich sind die Stimmungen und die Ausarbeitungsstufen, denen ein langer Prozess mit Umarbeitungen und Auslassungen vorangegangen ist. Die ungeklärten Räume lassen viel offen, korrespondieren mit der Lückenhaftigkeit der Erinnerung und der ihr innewohnenden selektiven Wahrnehmung. So stehen die Bilder auch für sich und erzählen in ihrer Abfolge keine Geschichte.

„Es ist ein Experiment“, titelt das in etwa vor einem Jahr entstandene Konzeptpapier der beiden Künstler. Der Prozess der Zusammenarbeit war kein friktionsfreier und gestaltete sich komplizierter als angenommen, weil unterschiedliche Erwartungshaltungen und Anschauungen aufeinander geprallt sind, was sich in der Rauminszenierung durch die Trennung der beiden Bereiche deutlich widerspiegelt. Mit diesem architektonischen Eingriff werden die Arbeiten von Siggi Hofer und jene von Bernhard Brungs räumlich getrennt, um gleichzeitig inhaltlich zu verschmelzen. Die kleinste der drei Turmskulpturen steht in einer der Öffnungen, die für sie maßgeschneidert wurden. Der Sockel steht auf Rollen und so kann das Objekt zwischen den beiden Räumen verschoben werden. Siggi Hofer meint, es sei wie ein Trojanisches Pferd, aber ohne „Eroberungsgedanken“, sondern eher ein Geschenk, das sich in einem kreativen Akt einzuschleichen vermag. Die Wand ist vorne Weiß und hinten Schwarz angemalt und die jeweils andersfarbigen Ausschnitte für die Öffnungen liegen am Boden. Trotz Reibungspunkten gibt es Austausch und Bewegung. Nicht alles ist schwarz/weiß.

Siggi Hofers Türme und die großformatige Zeichnung sind während beziehungsweise im Nachhall längerer Aufenthalte in New York und Chicago 2015 entstanden und scheinen somit nur die jüngere Vergangenheit zu reflektieren. Über die Architektur, die sowohl Thema der Zeichnung als auch der Türme ist, lotet er Gestaltungsmöglichkeiten aus und legt Unzulänglichkeiten offen. Auch Beschränkungen seines Arbeitsprozesses von außen spielen eine Rolle. So entspricht die Größe der Zeichnung der des Tisches in seinem Chicagoer Atelier und die Höhe der Turmobjekte ergab sich aus der limitierten Verfügbarkeit des Materials. Sie sind aus graubraunen, antiquarischen Systemspielzeugmodulen aus den 1970er Jahren gebaut und symbolisieren die Wunschvorstellungen eines noch relativ unselbständigen Heranwachsenden an die Zukunft. Direkter ist der Bezug zur Kindheit in der Gemeinde Ahrntal in der Videoarbeit nutella, die Siggi Hofer als Teil eines Emanzipationsprozesses beschreibt. Es ist eine späte „Rache“ an seiner Tante, bei der er aufgewachsen ist. Sparsam hat sie mit der ohnehin schon selten auf den Tisch gebrachten Haselnusscreme nur die Poren des Brotes geschlossen, was im krassen Gegensatz zu dem üppigen Auftrag auf der Abbildung auf dem Etikett des Produkts stand. Übertreibung als Form der Vergangenheitsbewältigung. Eingebettet ist der am Boden stehende Monitor in eine Rauminszenierung, die mobil ist und in der im Gegensatz zum klassischen Tafelbild auch nichts an den Wänden hängt. Alles ist lose und – obwohl sorgsam platziert – offen für Veränderung und Entwicklung. Provisorisch oder noch im Entstehungsprozess scheint auch der Schriftzug zu sein, den Siggi Hofer mittels Klebeband auf fünf Pressspanbretter geschrieben hat: YOUR COUNTRY DOES NOT EXIST. Handelt es sich um einen Zuruf an seinen Kollegen Bernhard Brungs oder an ihn selbst? Es könnte auch mit dem Südtiroler Ort zu tun haben oder aber kritisch an die mitunter Science Fiction-artige Architektur der US-amerikanischen Städte gerichtet sein.
Vielschichtige Bedeutungen hat auch der Ausstellungstitel Jackhammer & The Hole: er wurde von einer gleichnamigen Schwulenbar in Chicago entlehnt, die wie der Ausstellungsraum zweigeteilt ist. The Hole könnte aber auch Bezug zu dem schwer zugänglichen Südtiroler Tal nehmen, das – zumindest in der, ausschließlich durch mündliche Überlieferung gespeisten Vorstellung der Autorin – eine Sackgasse, ein „Dead End“, ist.

Ingeborg Erhart

Ausstellungsbroschüre