Solidarische Spekulationen – Warten im Testbild

Ausstellungsansicht. Foto: WEST. Fotostudio

Mitgliederausstellung 2018

Maria Theresa Barbist, Patrick Baumüller, Matthias Bernhard, Wolfgang Capellari, James Clay, Elisabeth Daxer, Renate Egger, Christopher Eymann, Robert Freund, Robert Gfader, Sabine Groschup, Günter Gstrein, Bernhard Gwiggner, Michael Hedwig, Christoph Hinterhuber, Alois Höfer, Stefan Klampfer, Michael Klingler, Matthias Krinzinger, Margareta Langer, Dieter Manhartsberger, Milena Meller, Monika Migl Frühling, Gerald Kurdoğlu Nitsche, Maria Peters, Antonia Petz, Inge von Reusner, Angelica Schapfl, Nora Schöpfer, Charlotte Simon, Christiane Spatt, Turi Werkner, u.a.

Kuratiert von Sofie Mathoi

Solidarische Spekulationen
Warten im Testbild

Im Kunstkontext angesiedelt spiegelt der Begriff Spekulation eine Vielzahl an Assoziationen. Eindeutig wird damit der spekulative Wert eines Kunstwerkes am
Kunstmarkt in Verbindung gebracht. Doch kann man auch den Prozess bis zum Endprodukt Kunstwerk als Spekulation verstehen. Spekulationen die Künstler_innen mit sich selbst eingehen, wenn sie zum Beispiel die berufliche Entscheidung treffen Künstler_in zu werden. Das Erstellen eines Förderantrages für ein Projekt, die
Einreichung für eine Ausstellung, sind Spekulationen denen der Einsatz von immaterieller Arbeit und von Zeit zugrunde liegt. In weiterer Folge entstehen Mutmaßungen darüber ob die gezeigte(n) Arbeit(en) Anklang finden, Ort und Zeitpunkt passend gewählt sind, über das Erscheinen von Kritiken und Besprechungen in der Presse bzw. Fachjournalen. Oft alleine, manchmal im Kollektiv – in Form von Kooperationen oder Gruppierungen – verbinden diese gemeinsamen Erfahrungen an spekulativen Prozessen eine Berufsgruppe, die in einem Netzwerk agiert, sich austauscht und somit solidarisch diese Spekulationen praktiziert. Handelnd nach den Ismen der erlernten Strategien verbindet sich der Autonomie-Begriff mit einer Spekulation im Zustand des Wartens – auf Rückmeldung, auf Antwort für einen Bescheid betreffend den Wettbewerb, die Ausstellung, eine Projektförderung etc. – auf ein Ereignis in seiner totalen Direktheit. Dabei steckt im Warten, diesem Zwischenstadion eines ständigen Entwurfs, die Kontinuität der Entwicklung.

Die Arbeit entwickelt sich, verändert sich, wuchert, auch wenn sie in einer Schublade, im Archiv, verschwindet kommt sie oft nach Jahren wieder in den Sinn und wartet auf eine Fortsetzung, eine Überarbeitung oder einfach nur den passenden Augenblick. Die Beiträge in der Ausstellung zeigen die individuellen Verfahren und Arbeitsprozesse von Künstler_innen auf, die hinter ihren jeweiligen Kunstwerken stehen. Bilder innerer Prozesse, die oft als alleiniger Faktor die Produktion abbilden, werden dem administrativen Aufwand, Kommunikationen, bürokratischen Vorgaben, Testversuchen, Aufzeichnungen, Modellen und Skizzen, der Dokumentation der Ausführung, oder sogar den notwendigen Utensilien für ein Reenactment, eine Wiederholung oder eine Wiederbelebung gegenübergestellt. Eine Vielfalt an Arbeit und Herangehensweisen wird aufgezeigt, als Ergebnis eines Experiments der Selbstermächtigung abseits von Ausschreibungen und Open Calls.

Die Ausstellung zeigt Projektentwürfe, Einreichungen, Umsetzungen und Ausführungen in einer dokumentarischen, Schaudepot-ähnlichen Präsentation. Die Besucher_innen können durch die Prozesse der Entstehung wie Forschende durchwandern, können die Geschichten, die hinter den Arbeiten stehen, ergründen und hinterfragen, von der Idee bis zum „Produkt“, eine Re/Konstruktion von Wirklichkeit. Es entsteht ein Speicher, eine Datenbank, ein Informationsgebäude, das Segmente, Abschriften, Neuschreibungen versammelt. Situationen einer potentiellen Vermittlung für co-produktive Prozesse werden geschaffen. Es geht darum, subjektive Formen von Wissen und Erfahrung zu teilen
und diese als Lernprozess zu verstehen. Inmitten von Kritik und in Bezug auf Kunst und dem Künstlerischen als erfinderische Potenzialität wird ein produktiver Raum der physischen Begegnungen geschaffen, der sich auf die Arbeitsbedingungen und den sozialkulturellen und wirtschaftlichen Nexus der Prozesse einer Produktion und darüber hinaus konzentriert – der Chaos stiftet, indem er statt Aufmerksamkeit eher Eigensinnigkeit verkörpert, um etwas zu erreichen das durch Bemühen geschaffen wird, das als Schimmer erscheint an einem Horizont voller Möglichkeiten. Was erwartet ein Mitglied der Berufsvereinigung Tiroler
Künstler*schaft von einer Mitgliederausstellung? Selbstverständlich Teil dieser Ausstellung zu sein. Aber wie wird man das, wie verläuft dieser Prozess?
Geht es darum Teil eines Netzwerkes zu werden um alternative Strategien auszuprobieren, sich auszutauschen, um solidarisch das bestehende Gefüge zu hinterfragen und eventuell anders zu denken? Das eigene Ego zu dezentralisieren zugunsten einer flächengreifenden Vernetzung – oder etabliert die Mitgliedschaft zur Teilnahme an der Ausstellung und gründet eine antisoziale Gemeinschaft des Ausschlusses? Wer ist auserwählt mitzumachen? Wer entscheidet? Wessen Geschichte wird ins Archiv aufgenommen? Bleibt es offen, liegt es an der Kommunikation, dem Antrieb oder dem Zufall? Hier liegt der Fokus im Prozess, der Entwicklung und nicht im Endprodukt. Alles ist offen bis zum Ende, bis zur Dekonstruktion um Platz für Neues zu schaffen.

 

 

Sofie Mathoi

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