Transittradition

Hannes Zebedin

Ausstellungsansicht. Foto: WEST.Fotostudio

Hannes Zebedin befasst sich seit einiger Zeit intensiv mit der Alpen-Adria-Region und deren geopolitischen Strukturen. Für die Ausstellung Transittradition verwendet Zebedin zwei Erscheinungen, die die Landschaft des Tiroler Alpenraums prägen. Dies sind zum einen Lawinenverbauungen und zum anderen die Ladeflächen der LKWs.
Lawinenverbauungen werden zur Abwendung von Katastrophen gebaut. Diese Lawinengefahren sind ein natürliches Phänomen, mit dem die lokale Bevölkerung so gut es geht leben muss, die Gefährdung wird allerdings durch Urbanisierung der Natur, Tourismus und Klimawandel verstärkt.
Der Transitverkehr ist die in die Landschaft eingeschriebene Tatsache der internationalen Wirtschaftsproduktion. Ausgehend von der Motorisierung des 20. Jahrhunderts ist der gesamte Transport die Versinnbildlichung des Güteraustausches, der die globale Ökonomie und in weiterer Folge den gesellschaftlichen Wohlstand voranbringen sollte. Durch die Eigenlogik des Marktes und die alleinige Fixierung darauf, dient die neoliberale Diktion dieser Ökonomie einigen wenigen Profiteur_innen, während der Großteil der Bevölkerung leer ausgeht.
Mit den zwei Elementen Lawinenverbauung und (Güter)Ladefläche sowie weiteren daraus resultierenden Arbeiten möchte Zebedin gegenwärtige Machtsysteme in unserer Gesellschaft diskutieren, die einerseits auf Verhinderung, andererseits auf Ermöglichung drängen. Ob diese Taktiken dem Gemeinwohl dienen, bleibt zu hinterfragen.
Betritt man den Kunstpavillon, scheint hier ein Unfall passiert und ein LKW in einen hölzernen Lawinenrechen gecrasht zu sein. Buchstäblich verschränken sich in der monumentalen Installation Transittradition Wohlstand und Wohlfahrt, Wirtschaftswachstum und Schutz der Zivilgesellschaft. Mit Gütern und Dienstleistungen werden die Bedürfnisse des Wohlstands befriedigt. Mehr als zwei Millionen LKWs passieren beispielsweise jährlich den Brennerpass. Entlang der Transitrouten ist das Wohlbefinden der Bevölkerung durch Lärm- und Feinstaubbelastung gefährdet. Neben den gesundheitlichen Auswirkungen auf die Menschen sind bereits die Folgen des Klimawandels in Flora und Fauna feststellbar. Die Gletscher gehen zurück, die alpine Vegetation verändert sich. Langfristig wird sich das auch in der Forstwirtschaft niederschlagen und die Zusammensetzung des (Schutz)Waldes wird sich verändern, da dem meistgenutzten Baum, der Fichte, in den kommenden Jahrzehnten im alpinen Raum zu warm werden wird. Hannes Zebedin pflanzt für das Setting Aufforstung (Wohlstand) Atlas- und Libanonzedern – mediterrane Nadelhölzer, die bald auch in unseren Breitengraden heimisch sein werden – in LKW-Reifen an und stellt sie dem verunfallten LKW-Aufleger gegenüber, auf dessen Plane WOHLFAHRT zu lesen ist.
Der einzige Weg in den hinteren Bereich des Ausstellungsraums zu gelangen, führt die Besucher_innen durch den LKW hindurch auf Bilder eines Lawinenabgangs, als Risoprints ausgearbeitete Videostills, zu. Die Staublawine ist als Naturgewalt zugleich bedrohlich und ästhetisch. In einer Nische, also quasi im Off, zeigt Zebedin das Video, in dem es darum geht, dass ein Kameramann die Gefahr einer Lawine unterschätzt hat und gezwungen ist vom passiven Filmer zum Akteur zu werden, um zu entkommen. Der Künstler nutzt diese Sequenz, die ihm über Jahre im Gedächtnis geblieben ist, um eine Gedankenskizze zu transportieren und die Frage nach der Verantwortung der/des Einzelnen zu stellen.
Unscheinbar und nur von kurzer Dauer ist die Arbeit Schneeballeffekt, die in ihrer Vergänglichkeit in Kontrast zu der Monumentalität der Lawinenverbauung und des mit ihr verbundenen LKWs steht. Eine Pyramide aus Schneebällen verdeutlicht, dass bei Schneeballsystemen nur die Betreiber_innen gewinnen. Risiken und Schäden lasten auf den Mitspielenden. Hannes Zebedin sieht darin Parallelen zu Angst- und Machtstrukturen in der aktuellen Politik, die die Auswirkungen des Neoliberalismus verleugnet und gepaart mit einer politischen Regression zum Erstarken des Nationalistischen beiträgt. Die Ausstellung Transittradition ist somit ein zeithistorischer Kommentar, der die Besucher_innen durch eine drastische Dramaturgie führt, die offen ist für Assoziationen und dazu einlädt sich Gedanken über die Verstrickungen von Markt und Ökologie zu machen.

 

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Kuratiert von:
Ingeborg Erhart
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