Tropology
Johannes Porsch
Tropology
Ein Ausstellungsrundgang mit Wendungen
Bereits das von Johannes Porsch entwickelte Sujet für die Einladungskarte und das Plakat für seine Soloschau Tropology gibt Hinweise auf mögliche Herangehensweisen die Ausstellung zu lesen:
Die Basisdaten Künstlername, Titel und Dauer werden gespiegelt, gedreht und mit den grafischen Vorgaben des Corporate Designs der Tiroler Künstler*schaft verknüpft.
Eine Trope ist laut Duden ein bildlicher Ausdruck, ein Wort, das nicht im eigentlichen, sondern im übertragenen Sinne gebraucht wird (z.B. Bacchus für Wein), das aus dem Griechischen kommt, wo es (Hin)wendung, Richtung bedeutet(e) [1]. Es handelt sich also um eine rhetorische Figur, ein sprachliches Stilmittel, nicht zu verwechseln mit den heißesten Klimazonen der Erde. Die Kenntnis der Tropen ist bei Übersetzungen essentiell, damit die Bildsprache verstanden wird. Trotzdem interessiert Johannes Porsch sich für die inherente Uneigentlichkeit und sieht die Subversion der Tropen im indirekt Gesagten, in der Abweichung von der Norm. Es geht ihm um die Art und Weise des Zusammensetzens, um Verhältnisse zueinander, Prozesshaftigkeit, Bezüglichkeit und Machart.
Eine Abfolge rhythmisch platzierter Platten aus strahlend weißem, hochglänzendem Material [2] führt wie eine Fortsetzung oder Dekonstruktion der Eingangstreppe in den Raum. In drei Bereichen werden sie in bestimmten Verhältnissen [3] in Beziehung zueinander gesetzt und an der Rückwand entsteht daraus ein Objekt, dessen Bedeutung zwischen autonomem Kunstwerk – eine Nachahmung postminimalistischer Skulptur scheint möglich – und Gebrauchsgegenstand schwankt. Sowohl die Variationen der vorderen Platten, die wie offene Platzhalter oder Display-Elemente gelesen werden könnten, als auch des Objekts am Ende der Abfolge müssten erst in Bewandtnis gebracht werden, um beispielsweise eine Funktion ausüben zu können, wie die in den Kunstpavillon eingeschobene Büroplattform, die Ausstellungsraum und Sitz der Künstler_innenvereinigung, Präsentation und Produktion, miteinander verzahnt. Die Trope, mit der die Installation verglichen werden könnte, ist die Katachrese, eine falsche, schlecht sitzende Äußerungsform, ein Bildbruch [4].
Die Reflexion von Abbildungsverfahren und Reproduktionsprozessen steht bei den für die Ausstellung geschaffenen Drucksorten, beidseitig bedruckte Plakate und eine daraus entstandene, nummerierte und gestempelte 16-seitige Edition in der Auflage von 150 Stück, im Zentrum. Auf den schwarz/weißen Plakaten, die im hinteren Raum in einem Stapel zur freien Entnahme am Boden liegen und in vier Variationen [5] an die Wände geklebt sind, sind Flecken und Spuren sowie Comic-Figuren zu sehen. Die Spuren wurden durch Eiweiß-Elektrophorese [6], einem bildgebenden Verfahren, das in der Virologie und Genforschung eingesetzt wird, zwischen Malerei und Fotografie anzusiedeln ist und nicht von Ähnlichkeit, sondern von Relationen ausgeht, gewonnen. Die Comic-Figur ist Sonic, der Protagonist eines Computerspiels. Auch hier gibt es eine Wendung: die Figur steht anstelle eines Schriftzeichens. Der Sonic Mega Font ist eine frei downloadbare Typografie. Johannes Porsch schreibt damit EDM [7] Lyrics, an Sprechblasen-Ausrufe erinnernde Silben, die auch nach der Transferierung in eine allgemein lesbare Schrift keinen Erkenntnisgewinn bringen. Die Übersetzung läuft ins Leere.
Auf den tapezierten Plakaten sind in transparenten Kästen gerahmte Grafiken affichiert, auf denen einzelne, aus den Postern entnommene Elemente, wieder der 1, 2, 3 (4)-Logik folgend im Layout-Programm gespiegelt und verkehrt, variiert zu sehen sind.
Drei schwarze Würfelmonitore ergänzen das Setting. Das flackernd weiße Bild stellt das Gerät selbst dar bzw. aus. Vergleichbar mit den Polyvinylchloridplatten, die für Ausstellungsarchitektur und/oder Kunst- oder Designobjekte stehen, sind auch die Röhrenmonitore Platzhalter. Bei genauem Hinsehen blitzt jedoch in drei unterschiedlichen Buchstabenfolgen immer wieder Sonic auf.
Johannes Porsch switcht mit seinen ästhetischen und theoretischen Überlegungen und Setzungen im Raum zwischen den Genres, zwischen künstlerischen – von Skulptur zu Malerei zu Design zu Fotografie zu Video – gesellschaftspolitischen – von der Popkultur zu Machtdiskursen – und der Frage nach Material- und Produktionslogiken sowohl im Ausstellungskontext zeitgenössischer Kunst und in der Wissenschaft als auch im alltäglichen Leben.
Plumeria alba [8], eine Pflanze aus der Sammlung des wie der Kunstpavillon im Kleinen Hofgarten befindlichen Palmenhauses der Bundesgärten Innsbruck, steht als unscheinbarer Trieb in doppelter Funktion für die Tropen und in der Ausstellung: einmal weil botanische Ordnung bzw. Benennung eine Trope in rhetorischem Sinne ist, die mit bildhaften Begriffen operiert, und einmal, um als tropisches Gewächs auf das Missverständnis der Begrifflichkeiten zwischen rhetorischer Stilfigur und geografischen Breiten und Klimazonen der Erde hinzuweisen.
Ingeborg Erhart
1 http://www.duden.de/rechtschreibung/Trope, 13.02.2017
2 Gegossene Hartschaumplatten aus PVC, die in der Werbetechnik (Trägermaterial für Siebdrucke) und als Dämmmaterial am Bau eingesetzt werden.
3 Jede der drei Bodenplatten spielt eine Kombinatorik aus Viertelverhältnissen durch. Es gibt eine Viertelteilung +/- Materialstärke in der Breite. In der Länge wird ein Viertel der Breite abgezogen.
4 http://www.duden.de/rechtschreibung/Katachrese, 13.02.2017
5 Vorder- und Rückseite, Vorder- und Rückseite 180° gedreht
6 Elektrophorese bezeichnet die Wanderung gelöster Moleküle durch ein elektrisches Feld und begründet das dem SDS Page-Verfahren (Natriumdodecylsulfat-Polyacrylamidgelelektrophorese) zugrunde liegende physikalische Prinzip. Dabei verteilen sich durch die denaturierende Wirkung eines Gels aufgetrennte Proteine in einem unter elektrischer Spannung befindlichen Feld gemäß ihrer elektrischen Ladung. Ihre Position wird in einem Färbeverfahren als Fleck oder Linie nachgewiesen, das Protein dadurch bestimmbar und als Information „lesbar“.
7 Electronic Dance Music, elektronische Tanzmusik
8 Plumeria alba, Euasteriden, Ordnung: Enzianartige (Gentianales), Familie: Hundsgiftgewächse (Apocynaceae, Unterfamilie: Rauvolfioideae, Tribus: Plumerieae, Gattung: Plumeria
Die Gattung der Plumeria umfasst 20 Arten, die in der Neotropis verbreitet sind. Die Erstbeschreibung der Gattung Plumeria erfolgte 1753 durch Carl von Linné in der 1. Auflage seines taxonomischen Werkes Species Plantarum. Der botanische Gattungsname Plumeria verweist auf den französischen Botaniker Charles Plumier (1646–1704).