OVAL OFFICE

Wolfgang Wirth, OO-5, 2021, Öl auf Leinwand,190 x 153 cm © Wolfgang Wirth | Bildrecht

Oval Office
WOLFGANG WIRTH

HEBA Y. AMIN | TONY COKES | DIANE ESNAULT & RAUL WALCH | SUZANNE LACY | HOWARDENA PINDELL

Kuratiert von Petra Poelzl

Konzept von Wolfgang Wirth

Opening: 28.05.21 | 17.00 – 21.00

Ausstellungsfolder

Artist Talk mit Wolfgang Wirth in der NEUEN GALERIE INNSBRUCK

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Wolfgang Wirths Ausstellungskonzept OVAL OFFICE nimmt sich das gleichnamige Büro in Washington, D.C. als Ausgangspunkt und welches für den Künstler stellvertretend für einen Ort, an dem sich Dynamiken politischer Repräsentation manifestieren, steht. Wirths großflächige Malereien kreieren gemeinsam mit Arbeiten von Heba Y. Amin, Tony Cokes, Diane Esnault & Raul Walch, Suzanne Lacy und Howardena Pindell einen durchlässigen Raum, der allgemein gültig zu scheinende Mechanismen von Macht hinterfragt und herausfordert.

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Das offizielle Repräsentationsbüro des Präsidenten der Vereinigten Staaten befindet sich im Westflügel des Weißen Hauses. Bereits seit den 1930er Jahren erfolgt nach jedem Präsidentschaftswechsel eine stete Veränderung der Inneneinrichtung: Mobiliar, Bodenbelege, Kunstwerke und Büsten werden ausgetauscht. Während Trump einen Fahnenwald hinter seinem Schreibtisch anwachsen ließ und sich für ein Gemälde des umstrittenen Präsidenten Andrew Jackson (7. Präsident der Vereinigten Staaten, 1829 – 1837) entschied, platzierte Joe Biden Büsten von Rosa Parks (Bürgerrechtlerin, 1913 – 2005) und Martin Luther King (Bürgerrechtler, 1929 – 1968). Folglich lässt die Rauminszenierung auf die politische Haltung des jeweiligen Präsidenten schließen und wird zu einer Kulisse für die darin Agierenden: John F. Kennedy gemeinsam mit seinen spielenden Kindern (1962); das Telefonat zwischen US-Präsident Nixon und den Astronauten der Apollo 11 (1969) oder der Besuch von Kanye West bei Donald Trump (2018). Bilder entstehen, werden medial transportiert und schreiben sich in das kollektive Gedächtnis ein.

Für mich ist das Oval Office eine Art bühnenhafter Raum, der alleine durch seine Form außergewöhnlich ist. Zudem werden darin weitreichende politische Entscheidungen getroffen, die je nach Präsident:in auf einer anderen ideologischen Haltung basieren. Der Raum ist einem Territorium gleich, in dem sich eine Vielzahl unterschiedlicher Einschreibungen überlagern und Realitäten verschneiden. (Wolfgang Wirth im Gespräch mit Petra Poelzl, 27.05.2021, Neue Galerie Innsbruck.)

Die Auseinandersetzung Wirths mit der geometrischen Form des repräsentativen Büroraumes, schlägt sich zum einen in der neu produzierten Serie OO-1 bis 7 nieder; zum anderen wird diese in der maßgetreuen Replik des Bodens des Oval Offices (75,8 m2), welche sich ähnlich einer Bühnenkonstruktion – in große Teile der Galerie einschreibt (95 m2), sichtbar.

In seinen für die Ausstellung konzipierten großflächigen Malereien abstrahiert und multipliziert der Künstler die elliptische Form – und lässt in diesen, zwei verschieden geartete Charaktere aufeinandertreffen: Mal ist die Form von subtilen, wahrnehmungsintensiven Farbverläufen ausgefüllt – und wird von konsequent gearbeiteten, strahlen-ähnlichen zweifarbigen linearen Flächen umfasst; mal findet sich in der Ellipse ein Andreaskreuz-förmiges Muster, das von leichtfüßigen Pastellflächen umgeben wird.

Aufgrund der Farbgebung – blau, rot, schwarz, weiß – erscheinen die stringenten Flächen wie eine Dekonstruktion von nationalen Symbolen; während die pastellfarbenen Flächen eine Sogwirkung entwickeln. Fast so, als würde sich dahinter oder in ihr eine mögliche Anderswelt auftun.

Die Malerei vermag es für mich Möglichkeitsräume zu entwerfen. Die Farbverläufe, die ich in diesen Bildern verwende enden in meiner Vorstellung nicht am jeweiligen Bildrand, sondern lassen sich in unendlichen sich wölbenden Farbräumen weiterdenken. (Wolfgang Wirth im Gespräch mit Petra Poelzl, 27.05.2021, Neue Galerie Innsbruck.)

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Durch das sich leiten lassen gen dieses Soghafte, wird ein weiterer Raum, welcher zur Gänze von der elliptischen Bodenkonstruktion eingenommen wird, betreten. In diesem wurde bewusst eine Leerstelle geschaffen – also die Grundfläche des Repräsentationsraumes ohne Mobiliar und Dekor – auf einen Nullpunkt gestellt, „um Alternativen, zu den bisher darin vertretenen politischen Haltungen und Inhalten zu imaginieren und zu evozieren.“ (Ebd.) Es entsteht ein durchlässiger Raum in welchem Versatzstücke von entworfenen Realitäten, Imaginationen und Möglichkeiten der Künstler:innen Heba Y. Amin, Tony Cokes, Suzanne Lacy und Howardena Pindell mit Wirths Malereien, der konzeptionellen Ausstellungsarchitektur und der von Diane Esnault und Raul Walch eigens für die Ausstellung angefertigten Fahne – ineinander oszillieren.

Die künstlerischen Arbeiten lassen in ihrer Summe einen dritten Raum, im Sinne von Homi K. Bhaba, einer der wichtigsten postkolonialen Literatur- und Kulturtheoretiker der Gegenwart, entstehen. (Homi K. Bhaba: Die Verortung der Kultur, Tübingen (2000)).Ein dritter Raum kann sich überall dort auftun, wo Menschen mit unterschiedlichstem Wissen oder aus unterschiedlichen Kulturen zusammentreffen und über Bedeutungen und Inhalte diskutieren. Die Kerneigenschaft eines Dritten Raumes liegt darin, dass ständig neue Inhalte und kulturelle Differenzen geschaffen werden. Auch diese neu verhandelten Bedeutungen im dritten Raum sind nicht in Stein gemeißelt, sondern dynamisch, performativ, veränderbar und zeitlich begrenzt. Die Inhalte, die in einem dritten Raum verhandelt werden, sind aber nicht zwangsläufig besser, richtiger oder widerspruchsfreier als andere. Sie stellen lediglich alternative Konstruktionen und Denkweisen dar – und scheinen dabei nicht starr und rigide, sondern vielmehr flexibel und durchlässig.

Text: Petra Poelzl