PRESSEMITTEILUNG 27.11.2023
Innsbruck, 27. November 2023
Offener Brief: Budgets sind in Zahlen gegossene Politik
Kulturbeirät*innen des Landes Tirol fordern die Valorisierung der Ermessensausgaben im Kulturbudget des Landes, um das sukzessive Sterben der Kulturvielfalt zu verhindern!
Am 14.11.2023 präsentierte die Tiroler Landesregierung das Budget für 2024. Laut Landesregierung ein Budget “geprägt von Krisen und Nachholeffekten der vergangenen Jahre”, mit einer Schwerpunktsetzung auf “Wohlstand und soziale Sicherheit”. Wenngleich in der Tiroler Tageszeitung vom Samstag, 25.11.2023 ein anderer Eindruck erweckt werden soll, wird der freien Kunst- und Kulturszene im Landesbudget aber offensichtlich nur ein nachgeordneter Stellenwert eingeräumt.
Denn auch in den Jahren zuvor sucht man* im Tiroler Kulturbudget vergeblich nach signifikanten Budgeterhöhungen bei den Ermessensausgaben, aus denen alle nicht landeseigenen Kultureinrichtungen und -aktivitäten gefördert werden. Dazu gehören die Heimatmuseen ebenso wie die Blasmusikkapellen, der Denkmalschutz, die Erwachsenenbildung und das Büchereiwesen bis hin zum gesamten zeitgenössischen Kunst- und Kulturschaffen der freien Szene Tirols. Während die aktuellen Teuerungen und die rasante Inflation bei den landeseigenen Kulturbetrieben abgegolten werden, trifft dies nicht auf die Ermessensausgaben zu und offenbart damit die fragile finanzielle Lage vieler Kultureinrichtungen.
Ein Sinken der hohen Erhaltungskosten und Preise in naher Zukunft ist nicht zu erwarten. Auf mehrmalige Nachfrage in den einzelnen Kulturbeiräten wird es 2024 allerdings weder einen Teuerungsausgleich noch eine Indexierung der Subventionen des Landes für den gesamten freien Kulturbereich geben. Dies bedeutet de facto eine Kürzung der Budgets um die Teuerungsrate der letzten beiden Jahre von rund 17 %. In anderen Worten: Keine jährliche Valorisierung entspricht einer Reduzierung der Kultursubventionen und einer Verschärfung der ohnehin prekären Situation im freien Kunst- und Kulturbereich.
Deshalb fordern wir – dem Beispiel unseres Nachbarbundeslandes Salzburg folgend – eine jährliche Indexierung der Ermessensausgaben beginnend mit 2024!
Das de facto sinkende freie Kulturbudget des Landes widerspricht der Realität des Kultursektors und hat gravierende Auswirkungen auf alle Bereiche, von Fair Pay bis zur Teuerung. Während im Honorarbereich im Hinblick auf Fair Pay für 2024 eine Erhöhung angekündigt wurde, will das Land die ursprünglich bis 2025 geplante Schließung des Fair Pay-Gaps im Bereich der Gehälter 2024 nicht weiterführen. In der Praxis bedeutet dies, dass die Gehälter in professionellen, nicht landeseigenen Kulturbetrieben – die auf Basis der Zahlen von Anfang 2022 berechnet wurden und sich an Mindestwerten aus dem Jahr 2021 orientieren – bei einer Nichtberücksichtigung der Inflation weit unter den angestrebten Schwellenwert von 80 % Fair Pay zurückfallen werden. Trotz angekündigter Fair Pay Strategien der Gebietskörperschaften bewegen sich somit viele Angestellte im Kulturbereich an und unter der Armutsgrenze, zumal die meisten von ihnen (rund 60 %) mangels Budget über keine Vollzeitstelle verfügen. Vom Schwerpunkt “Wohlstand und soziale Sicherheit” im Landesbudget 2024 sind Angestellte im freien Kulturbereich daher offensichtlich ausgenommen. Zu Recht warnt das WIFO in einer Studie aus dem Coronajahr 2020 vor der Gefahr einer „Zweiklassengesellschaft“ in kulturnahen Bereichen aufgrund der unterschiedlichen Art der Absicherung im staatsnahen versus dem freien Bereich – mit unabsehbaren Folgen für die kulturelle Entwicklung.
Ohne angemessene Budgets können Kunst und Kultur nicht überleben. Eine vielfältige Kulturlandschaft trägt wesentlich zur Zukunftsfähigkeit und demokratischen Verfasstheit unseres Landes bei.
Unterzeichnet von:
Kathrin Aste (Mitglied Kulturbeirat für Bildende Kunst und Architektur)
Nadja Ayoub (Mitglied Kulturbeirat für Bildende Kunst und Architektur)
Irmgard Bibermann (Mitglied Kulturbeirat für Literatur, Darstellende Kunst und Film)
Hannah Crepaz (Mitglied Kulturbeirat für Kulturinitiativen)
Gertraud Eiter (Mitglied Kulturbeirat für Literatur, Darstellende Kunst und Film)
Barbara Fischer (Mitglied Kulturbeirat für Musik)
Michael Haupt (Mitglied Kulturbeirat für Kulturinitiativen)
Tanja Helm (Mitglied Kulturbeirat für Literatur, Darstellende Kunst und Film)
Chris Koubek (Mitglied Kulturbeirat für Musik)
Veronika Lex (Mitglied im Kulturbeirat für Kulturinitiativen)
Bettina Lutz (Mitglied Kulturbeirat für Kulturinitiativen)
Julia Mumelter (Mitglied Kulturbeirat für Kulturinitiativen)
Hans Oberlechner (Mitglied Kulturbeirat für Kulturinitiativen)
Daniela Oberrauch (Mitglied Kulturbeirat für Literatur, Darstellende Kunst und Film)
David Prieth (Mitglied Kulturbeirat für Kulturinitiativen)
Arno Ritter (Mitglied Kulturbeirat für Bildende Kunst und Architektur)
Gerhard Sammer (Mitglied Kulturbeirat für Musik)
Helene Schnitzer (Mitglied Kulturbeirat für Kulturinitiativen)
Bettina Siegele (Mitglied Kulturbeirat für Bildende Kunst und Architektur)
Carmen Sulzenbacher (Mitglied Kulturbeirat für Literatur, Darstellende Kunst und Film)
Christian Waltl (Mitglied Kulturbeirat für Kulturinitiativen)
Gabriele Wild (Mitglied Kulturbeirat für Literatur, Darstellende Kunst und Film)
Rückfragen:
Kulturbeirat für Bildende Kunst und Architektur: Bettina Siegele, 0650 231 6171
Kulturbeirat für Musik: Gerhard Sammer, 0676 974 4061
Kulturbeirat für Literatur, Darstellende Kunst und Film: Carmen Sulzenbacher, 0664 112 9285
Kulturbeirat für Kulturinitiativen: Helene Schnitzer, 0670 406 5565